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Flüsse und Bäche

Durch ihre Hochwasserdynamik haben Flüsse einen grossen Einfluss auf die Landschaftsgestaltung. Durch Überschwemmungen, Erosion und Sedimentation entstehen entlang von Bächen und Flüssen immer wieder neue Lebensräume für Amphibien. Diese gehören zu den ursprünglichsten und natürlichsten Lebensräumen dieser Tiere, sind aber heute selten geworden. Der Grossteil unserer Flüsse ist verbaut und unterliegt nicht mehr einer ausreichenden Dynamik. Es ist zu hoffen, dass solche Lebensräume durch die bereits durchgeführten und für die Zukunft geplanten Flussrevitalisierungen wieder an Bedeutung gewinnen werden, insbesondere im Rahmen eines modernen Hochwasserschutzes. 

Von Wald umgebener, wenig tiefer Bach

(© Irina Bregenzer)

 

Quellen, Bäche und Rinnsale

Bäche und Quellen sind die bevorzugten Fortpflanzungsgewässer des Feuersalamanders

Der Feuersalamander ist eine Amphibienart, die sich bevorzugt direkt in Wasserläufen fortpflanzt. Er setzt seine Larven in nicht gefassten Quellen und kleinen Bächen ab, die manchmal handbreit und nur wenige Zentimeter tief sind. Die Larven halten sich in kleinen, langsam fliessenden Aufschlüssen auf, in denen sich Laub ansammelt, das als Versteck dient. Die Larven des Feuersalamanders besiedeln oft die oberen, sauerstoffreichen Teile von Bächen, in denen noch keine Fische vorkommen. Tatsächlich wurde der Begriff Feuersalamanderregion geprägt, um solche Bachabschnitte zu bezeichnen.

Das Einsetzen von Bachforellenbrut und -sömmerlingen in diese Gewässerabschnitte kann sich negativ auf die Feuersalamanderpopulation auswirken, da selbst kleine Fische die Beine und Kiemen der Salamanderlarven fressen. Heutzutage findet man die Larven des Feuersalamanders fast ausschliesslich in Waldbächen. Wären viele kleine Wiesenbäche nicht eingedolt worden, könnte man sie durchaus auch dort antreffen.

 

Weitere Amphibienarten in Fliessgewässern

Der Italienische Springfrosch ist der einzige Frosch in der Schweiz, der seinen Laich direkt in ein bis zwei Meter breite Bäche ablegt. Damit die kleinen Laichklumpen nicht vom Wasser weggespült werden, befestigt das Weibchen sie an Wurzeln, die ins Wasser ragen.

Darüber hinaus setzt die Geburtshelferkröte ihre Larven oft in kleinen Bächen ab, besonders in langsam fliessenden Buchten. Insbesondere im Jura kann man mit etwas Glück in denselben Kolken die Larven des Feuersalamanders und der Geburtshelferkröte antreffen.

Selbst die Erdkröte und der Grasfrosch laichen ausnahmsweise in fliessenden Gewässern, wobei letzterer diese auch gerne als Überwinterungsort nutzt.

 

Flüsse

In einem natürlichen, dynamischen Flussbett entstehen durch Pegelschwankungen und regelmässige Überschwemmungen ständig neue Stillwasserzonen, Nebenrinnen und zeitweise überflutete Kolke. Durch die Überschwemmungen werden auch viele potenzielle Raubtiere aus diese Tümpeln verdrängt. Selbst wenn in einigen davon Fische über den Fluss eingebracht werden, stellt dies aufgrund des enormen Angebots an Tümpeln insgesamt kein Problem dar. Die verbleibenden Wasserflächen sind oft relativ gross, aber flach und sonnig. Dies sind ideale Bedingungen für die schnelle Entwicklung von Amphibienlarven. Das abgestossene Totholz fördert die Strömungsvielfalt und damit die Entstehung neuer kleinerer Wasserflächen in Senken und Hinterspülungen.

 

Fliessgewässer für die Geburtshelferkröte

Flüsse, die für die Geburtshelferkröte geeignet sind, weisen Stillwasserbereiche auf, in denen sich ihre Kaulquappen aufhalten können. Grosse Trümmer und Totholz dienen als Verstecke, und bei Hochwasser finden die Larven unter grossen Steinen Schutz.

Ruhige Wasserbereiche können durchaus leicht durchströmt werden, da eine hohe Wassertemperatur für die Geburtshelferkröte nur eine untergeordnete Rolle spielt. Der Uferbereich sollte aber auch vegetationsarme Böschungen oder Rutschungen aufweisen, die den erwachsenen Tieren als Lebensraum dienen. Natürliche Prallhänge bieten typischerweise geeignete Strukturen.

Uferbereich mit kleiner Rutschung

Uferbereiche mit kleineren Rutschungen werden von der Geburtshelferkröte als Landlebensraum genutzt (© Murielle Mermod)

 

Hochwasserdynamik schafft temporäre Laichgewässer

Gelbbauchunken sind vor allem in felsigen oder schlammigen Fluttümpeln neben der Hauptwasserrinne zu finden. Ihre Larven benötigen kleine und winzige Pfützen mit hohen Wassertemperaturen, um sich schnell entwickeln zu können. Die Dynamik der Flüsse schafft immer wieder neue Tümpel ohne Vegetation und ohne Fressfeinde.

Die Hochwasserdynamik schafft auch sehr unterschiedliche und strukturreiche Landlebensräume. Die frisch abgelagerten Kies- und Sandflächen sind für Amphibien meist noch zu karg. Doch schon nach kurzer Zeit entwickelt sich eine lockere und vielfältige Vegetation mit vielen offenen Flächen, Treibholzstrukturen und einigen Weidenbüschen. Diese Ruderalflächen werden zum Beispiel gerne von der Kreuzkröte als Jagdgebiet genutzt.

Im Laufe der Sukzession werden die neu geschaffenen Pionierstandorte zunehmend von der Vegetation überwuchert und entwickeln sich zu einem Weichholz-Auwald. Wenn sie jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt als Pionierlebensräume nicht mehr attraktiv sind, haben die nachfolgenden Überschwemmungen in der Regel bereits neue solche Standorte geschaffen.

 

Natürliche, dynamische Fliessgewässer sind selten geworden

Aufgrund der zahlreichen Flussverbauungen in der Schweiz sind solche Pionierlebensräume an vielen Orten, insbesondere im Mittelland, selten geworden und unterliegen nicht mehr der notwendigen Hochwasserdynamik. Zudem wird ein grosser Teil des Geschiebes durch Staudämme, Seen etc. gestoppt. So kann der Fluss kein neues Geschiebe ablagern und gräbt sich immer tiefer in sein eigenes Bett ein. Dies wiederum behindert die Hochwasserdynamik, da der Fluss im Vergleich zu den umliegenden Gebieten immer tiefer zu liegen kommt.

Auengebiete

Unter Auen versteht man den grösseren Einflussbereich eines Flusses, also das Gebiet, das regelmässig oder zumindest selten von Hochwasser überschwemmt wird. Dies umfasst nicht nur die oben beschriebenen Pionierstandorte, sondern auch den umgebenden Auenwald.

In den Auenwäldern, die nicht mehr regelmässig von Hochwasser überschwemmt werden, findet man Altarme des Flusses, ehemalige Mäander. Diese Altarme haben einen ganz anderen Charakter als die Teiche und Fluttümpel in der aktiven Schwemmebene. Sie befinden sich nicht mehr in der Verlagerungszone des Hauptbettes und werden daher nicht mehr regelmässig gereinigt. Solche Gewässer weisen eine artenreiche Vegetation auf.

 

Stark schwankender Wasserstand

Vor allem in den Alpen, aber auch im weiteren Alpenvorland, werden Altarme noch stark von den natürlichen Schwankungen des Wasserstandes der Hauptrinne über den Grundwasserspiegel beeinflusst: Im Winter werden die Niederschläge in Form von Schnee in den Bergen zurückgehalten, der Flusspegel ist niedrig und viele Altarme trocknen aus. Im April oder Mai schwellen die schmelzenden Flüsse an und die Altarme füllen sich rechtzeitig zur Laichzeit der Amphibien wieder mit Wasser.

Aufgrund dieser Dynamik der Wasserstände sind Gewässer ausserhalb des regelmässigen Überschwemmungsgebiets in der Regel von Natur aus fischfrei. Darüber hinaus bieten sie reichlich Nahrung und ihre Wasserqualität ist überdurchschnittlich gut. Vor allem der Laubfrosch und der Kammmolch sind stark an diese Gebiete gebunden, aber auch fast alle anderen heimischen Amphibienarten können hier gefunden werden, manchmal sogar in grosser Zahl. Neben geeigneten Gewässern bieten die Auen ausserdem hochwertige feuchte Landlebensräume mit einem reichhaltigen Nahrungsangebot.

Der Biber - ein Freund der Amphibien

Der Biber (Castor fiber), der erst seit kurzem wieder in der Schweiz vorkommt, fällt Bäume, baut Dämme und staut Flüsse. Nicht selten werden ganze Dammsysteme errichtet und es entstehen regelrechte Teichkaskaden. Solche Biberteiche werden von zahlreichen Amphibienarten besiedelt, manchmal in grosser Zahl, trotz der vielen Fische, die in solchen Wasserkomplexen vorkommen.

Es wird vermutet, dass der Schlüssel zu dieser erfolgreichen Koexistenz Totholz im Wasser ist, das der Biber aktiv in grossen Mengen einbringt. Dadurch werden diese Gewässer so reich an Verstecken, dass ein Grossteil der Amphibienlarven ihrem Schicksal in den Mägen der Fische entgeht.

 

Der Biber, ein Ökosystem-Ingenieur

Durch seine Holzfällertätigkeit sorgt der Biber auch dafür, dass die aufgestauten Wasserläufe gut besonnt sind und sich eine krautige Ufervegetation entwickelt. Er wirkt also landschaftsgestaltend und schafft auch an Land günstige Bedingungen für verschiedene Amphibienarten. Es gibt Bachtäler, die erst durch die Arbeit des Bibers für Amphibien besiedelbar geworden sind. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Biber in der Fachsprache gerne als Ökosystem-Ingenieur bezeichnet wird.

Weitere Infos zum Biber

Amphibien fördern in Wasserbau- und Reitalisierungsprojekten