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Chytridiomykose

Eine gefährliche Pilzerkrankung der Amphibien

Die Chytridiomykose ist eine Amphibienkrankheit, die durch die Chytridpilze Batrachochytrium dendrobatidis und Batrachochytrium salamandrivorans hervorgerufen wird. Diese Krankheit ist mitverantwortlich für das globale Amphibiensterben. Der Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis ist in der Schweiz weit verbreitet, befällt zahlreiche Amphibienarten und es wurden Amphibien gefunden, welche an der Chytridiomykose gestorben sind. Der Chytridpilz Batrachochytrium salamandrivorans wurde bisher in der Schweiz nicht nachgewiesen.

Im Amphibian Conservation Action Plan der IUCN, wird die Krankheit so beschrieben: „In fact, there is growing consensus among scientists that the spread of chytridiomycosis has driven and will continue to drive amphibian species to extinction at a rate unprecedented in any taxonomic group in human history.”

(Mehr und mehr Wissenschaftler sind übereinstimmend zur Überzeugung gelangt, dass die Ausbreitung der Chytridiomykose zum Aussterben von Amphibien geführt hat und dass dieser Prozess in einem Tempo weiter gehen wird, welches die Menschheit noch bei keiner anderen taxonomischen Gruppe erlebt hat.)

Deshalb sind Vorsichtsmassnahmen unbedingt notwendig: Feldbiologen und Feldbiologinnen müssen Stiefel, Netze und anderes Material unbedingt desinfizieren. Dadurch kann die weitere Ausbreitung des Pilzes minimiert werden.

 

Chytridicomycose - Photo de Jaime Bosch - info fauna
Un crapaud accoucheur crevé de la chytridicomycose (Peñalara, Espagne). La peau détachée est particulièrement bien visible. 

Woher kommt die Krankheit?

Die Chytridiomykose ist eine relativ neu aufgetretene Pilzerkrankung an Frosch- und Schwanzlurchen. Sie wurde erstmals 1998 bei tropischen Fröschen in Australien und Zentralamerika entdeckt, wo sie zu Massensterben der betroffenen Arten geführt hat. Bei europäischen Arten wurden Massensterben bis jetzt in Spanien und auf Sardinien beobachtet.

Woher die Krankheit so plötzlich kam, ist noch nicht restlos geklärt. Zurzeit gibt es zwei Theorien: Die eine geht davon aus, dass der Pilz einheimisch ist und eine Umweltveränderung den zuvor harmlosen Zersetzer-Pilz in einen parasitischen Krankheitserreger verwandelt hat. Eine solche Umweltveränderung könnte der Klimawandel darstellen, der in vielen Gegenden zu weniger Niederschlag führt. Das ungünstige Klima erhöht ausserdem den physiologischen Stress für die Amphibien und macht sie anfälliger für Krankheiten.

Die andere Theorie geht davon aus, dass der Pilz nicht einheimisch ist, sondern eingeschleppt wurde. Sie sieht den Ursprung des Erregers in Afrika, wo man in Krallenfröschen (Xenopus laevis) aus Museen den ersten Befall bereits auf 1938 zurückdatieren kann. Für diese Theorie spricht, dass der älteste Fund aus Afrika stammt und eben von 1938 datiert. Zudem wurden Krallenfrösche lange Zeit in grosser Zahl exportiert, einerseits als lebende Schwangerschaftstest, andererseits als Labortiere. Da einige Individuen immer ins Freiland gelangen, könnte der Krankheitserreger so verbreitet worden sein. Es gibt für beide Theorien Argument und Gegenargumente.

Neuere genetische Untersuchungen deuten auch darauf hin, dass der Chytridpilz weit verbreitet ist und dass nur ein neuer, durch Rekombination entstandener Stamm sehr gefährlich ist. Es scheint so, dass dieser rekombinante Stamm sich rasch weltweit ausgebreitet hat und zu Problemen führt.
Lokale endemische Stämme scheinen vergleichsweise unproblematisch zu sein.

Woher auch immer der Erreger kommt und wie er entstanden ist, er ist unterdessen fast weltweit verbreitet: Man konnte ihn auf allen von Amphibien bewohnten Kontinenten nachweisen. Und sicher ist der weltweite Handel mit Amphibien mit dafür verantwortlich, dass der Erreger der Chytridiomykose sich immer weiter ausbreitet. Auch in der Schweiz ist er vorhanden und verstärkt die Gefährdung einheimischer Amphibien.

Lebensweise des Erregers

Der Erreger der Chytridiomykose, Batrachochytrium dendrobatidis, ist ein Pilz aus einer Gruppe von Zersetzern toter organischer Materie. Er zersetzt denn auch Horn-material (Keratin) in der Amphibienhaut. Aus diesem Grund kann er nur auf verhornter Amphibienhaut gefunden werden; verhornte Haut findet man im Fall von Kaulquappen im Mundfeld, bei adulten Fröschen ist jedoch die ganze Körperhaut verhornt und der Pilz dementsprechend überall zu finden.

Die Infektion findet über Zoosporen - bewegliche Infektionsstadien - im Wasser statt. Diese bohren sich in die Amphibienhaut, um dort ein Zoosporangium zu bilden, das Vermehrungsstadium des Pilzes. In diesem werden neue Zoosporen gebildet, die, wenn sie reif sind, wieder ins Wasser abgegeben werden. Dort infizieren sie die benachbarten Hautpartien oder andere Amphibien. Die Übertragung kann auch durch direkten Hautkontakt zwischen Amphibien stattfinden. Dauerstadien, die über Jahre in der Umwelt überdauern können, konnte man bisher nicht nachweisen. Allerdings wurde ein Stamm gefunden, der sich sexuell vermehrt, was bei anderen Vertretern dieser Pilzgruppe jeweils mit der Bildung von Dauerstadien einhergeht. Zudem kann der Pilz womöglich als Zersetzer in der Umwelt überdauern; in Seewasser jedenfalls können Zoosporangien bis zu 7 Wochen überleben und wachsen danach wieder, wenn man sie auf Amphibienhaut setzt! Der Chytridpilz scheint gemäss neueren Forschungsresultaten auch auf Krebsen und Wasservögeln leben zu können.

Der Pilz ist artunspezifisch und infiziert nahezu alle bisher getesteten Frosch- und Schwanzlurche. Jedoch sind nicht alle Arten gleich empfindlich: Während manche Arten durch den Befall sehr schnell sterben, können andere Arten wie z.B. der Seefrosch oder Ochsenfrosch ohne weiteres auch mit starkem Befall zurechtkommen. Sie sind daher potentielle Verbreiter der Krankheit und dienen gleichzeitig als Reservoir, von wo der Pilz jedes Jahr erneut ins Gewässer gelangt.

Kaulquappen, die den Pilz auf ihren Mundfeldern tragen, zeigen keine Krankheits-symptome. Sie sterben jedoch häufig während oder kurz nach der Metamorphose, wenn die Körperhaut verhornt und der Pilz sich über den ganzen Körper ausbreiten kann. Erkrankte Amphibien werden lethargisch und häufig sieht man ein Abschuppen der Haut v.a. an Beinen und Bauch. Bei einer grossflächigen Infektion beeinträchtigt der Pilz die Hautfunktion (Stoffwechsel und Wasserhaushalt). Die Amphibien verlieren die Muskelfunktionalität und sterben schliesslich an Herzstillstand.

Die Hautgifte der Amphibien haben sich je nach Art als mehr oder weniger wirksam gegen den Pilz erwiesen. Ausserdem scheinen bestimmte symbiontische Hautbakterien den Amphibien einen gewissen Schutz gegen die Pilzsporen zu verleihen.

Gefährdung einheimischer Amphibien durch Chytridiomykose

Generell sind besonders häufig die Arten infiziert, die eine grosse Zeit im Wasser verbringen, sei das als Larve oder als Adulttier. Bei den folgenden in der Schweiz heimischen Arten wurde der Erreger bereits nachgewiesen: Geburtshelferkröte, Kreuzkröte, Erdkröte, Wasserfrosch, Seefrosch, Italienischer Springfrosch, Feuersalamander, Bergmolch, Fadenmolch. In Deutschland wurden auch Kammmolche positiv getestet. Nur beim Alpensalamander und Grasfrosch wurden keine infizierten Tiere gefunden. In Spanien wurden Massensterben bei der Geburtshelferkröte, der Erdkröte und dem Feuersalamander beobachtet. Massensterben wurden auch bei andern Arten beobachtet, aber es ist noch nicht nachgewiesen, dass Chytridiomykose die Ursache ist.

Krankheitsausbrüche treten dann auf, wenn viele Amphibien in einem Gewässer stark (mit mehreren tausend Pilzsporen) infiziert sind. Damit es also zu einem Massensterben kommt, müssen Umweltbedingungen die Vermehrung des Erregers begünstigen. Diese dürften von unzähligen Faktoren wie Eigenheiten der Amphibienarten, Klima, Umweltbedingungen, Habitateigenschaften etc. abhängen. Vermutlich spielen aber Kaltlufteinbrüche zum Zeitpunkt der Metamorphose, wenn die Individuen am anfälligsten sind, eine Rolle: Das Immunsystem der Amphibien reagiert dann verlangsamt, und der Pilz wächst bei kalten Temperaturen schlechter. In der Schweiz wurden im September 2007 erstmals Geburtshelferkröten gefunden, die an der Chytridiomykose gestorben sind. Zudem trat im August 2010 ein Massensterben der Geburtshelferkröte auf. Nach einem Kaltlufteinbruch während der Metamorphose starb eine unbestimmte Anzahl frisch metamorphosierter Geburtshelferkröten an einem Standort im Kanton Luzern.

Ob der Pilz also ohne Krankheit auszulösen einfach "da" ist oder ob er zu Krankheitsausbrüchen führt, hängt also von einem empfindlichen Gleichgewicht ab. Dieses Gleichgewicht kann man zugunsten der Amphibien beeinflussen, indem man optimale Lebensräume bereitstellt. In optimalen Lebensräumen können Amphibienpopulationen trotz Chytridpilz wachsen, sofern die Amphibienarten nicht zu anfällig sind oder der Pilzstamm zu virulent ist. Als optimaler Amphibienlebensraum gelten warme, fischfreie Larvengewässer und reich strukturierte Landlebensräume.

Klar ist, dass der Pilz kaum mehr entfernt werden kann, wenn er einmal da ist. Deshalb muss in erster Linie die weitere Verbreitung des Pilzes verhindert werden. Selbst zwischen bekannten positiven Standorten soll desinfiziert werden, da es verschiedene Pilzstämme gibt mit unterschiedlicher Virulenz und man keinen aggressiven Stamm weiterverbreiten möchte.

Was ist zu tun, wenn man tote Amphibien findet?

Tot gefundene Amphibien sollen in 70%igem Alkohol oder im Tiefkühler konserviert werden. Bitte informieren Sie danach die karch, so dass wir eine Untersuchung der toten Amphibien organisieren können.   

Massnahmen gegen die Verbreitung der Chytridiomykose

Massnahmen gegen die Verbreitung der Chytridiomykose

Herpetologen und Amphibienfreunde können zur Ausbreitung des Chytridpilzes beitragen: Kaum jemand sonst besucht innert kürzester Zeit so viele Amphibiengewässer. Es muss unbedingt darauf geachtet werden, dass keine Zoosporen von Gewässer zu Gewässer transportiert werden. Deshalb muss jegliches Feldarbeitsmaterial (Gummistiefel, Netze etc.) „sicher“ gemacht werden durch eine der folgenden Massnahmen:

  1. Material und Schuhe ganz austrocknen lassen, denn der Pilz stirbt durch Austrocknung (Achtung: Auch der Dreck an der Schuhsohle muss völlig durchgetrocknet sein!).

  2. Auskochen (5 min bei 60 °C reichen bereits aus).

  3. Desinfizieren: z.B. unverdünntes Javel-Wasser oder 70 % Alkohol (Nachteil: Beides ist giftig für Wasserorganismen, die Desinfektion sollte deshalb nicht am Gewässer durchgeführt werden). Es gibt auch diverse Desinfektionsmittel, welche gegen Pilze -also auch den Chytridpilz- wirksam sind. Virkon S hat sich als feldtauglich erwiesen (mehr Info zu Virkon S gibt es, wenn man unter www.tierarzneimittel.ch nach „Virkon“ sucht). 

Ausserdem soll ein Verschleppen von Wasserorganismen (Pflanzen (Wasserlinsen!), Schnecken, Amphibien etc.) von Teich zu Teich unbedingt vermieden werden. Denn an allen feuchten Oberflächen können Pilzsporen haften.

Die Massnahmen gegen die Weiterverbreitung des Erregers der Chytridiomykose werden vielen Feldbiologen als lästig erscheinen. Diese Erschwernis muss aber in Kauf genommen werden, denn die Chytridiomykose ist eine Krankheit, die verheerend wirken kann. Nach aktuellem Wissen ist die Krankheit bei uns relativ harmlos. Es wäre verheerend, wenn sich dies ändern würde und die Feldbiologen und Naturfreunde allzu sorglos sind!

Kescher im Einsatz bei der Feldarbeit

Jegliches Material (Stiefel, Kescher, etc.) muss nach seiner Verwendung desinfiziert werden (© Ursina Tobler)

Dokumente & Publikationen

1. Remove mud, snails, algae and other debris from nets, traps, boots, vehicle tyres and all other surfaces. Rinse cleaned items with sterilized (eg. boiled or treated) water before leaving each study site.

2. Boots, nets, traps etc. should then be scrubbed with 70% ethanol solution and rinsed clean with sterilized water between study sites. Avoid cleaning equipment in the immediate vicinity of a pond or wetland.

Lutte contre la dissémination des pathogènes des amphibiens dans la nature.

2018. Protocole d'hygiène. Lutte contre la dissémination des pathogènes des amphibiens dans la nature. Protocole adapté par LPO.
Dejean T., Miaud C., Ouellet M. 2007. Proposition d’un protocole d’hygiène pour réduire les risques de dissémination d’agents infectieux et parasitaires chez les amphibiens lors d’intervention sur le terrain. Bull. Soc. Herp. Fr. 122 : 40-48.